Ja, es ist sehr traurig, aber leider wahr: Mein Vater ist heute im Alter von 91 Jahren verstorben.
Wobei ist es wirklich ein leider, ist es wirklich traurig? Ich denke nein.
Denn er war mit den letzten Monaten nicht mehr zufrieden. Der deutlichen Sprache beraubt, größtenteils bettlägerig und z.T. bewegungsunfähig sind nicht das, was mein Vater als besonders erstrebenswert bzw. lebenswert betrachtet hat
Nein. er war immer ein vitaler Typ. Ein Mensch, der gerne auf Menschen zuging, sofort in Kontakt kam. Menschen mit seiner Art für sich einnehmen konnte. Genau das war ihm in letzten Monaten alles nicht mehr möglich.
Doch wer mein Vater überhaupt, wie war sein Leben?
Geboren im Jahr 1923 in Adorf/Erzgebirge als jüngstes Kind mit vielen Geschwistern vor ihm, erlernte er den Beruf des Friseurs, meldete sich freiwillig zur Marine, um Deutschland zu "verteidigen", um im Mai 1945 in der Ostsee mit Z39 zu stranden und auch zu begreifen, dass er als junger Mensch Anhänger eines falschen Idols gewesen ist.
Idole gab es danach übrigens keine mehr. So bin auch ich erzogen worden. Maxime: Dem einzigen, dem du wirklich trauen kannst bist du selbst. Aber auch da musst du aufpassen!
Aber es gab Menschen, die meinen Vater fasziniert haben. Willy Brandt, Helmut Schmidt und ganz besonders Johannes Rau.
Letzterer war irgendwie auch ein großes Stück weit seine Ansicht. Denn "Brücken bauen" sah er immer als sinnvoller an als Gräben auszuheben.
Brücken bauen zu meinem Vater musste auch ich. Denn in meiner Kindheit war mein Vater aufgrund von Nachschicht auf dem Pütt nicht präsent. Als Teenager, er war da bereits Frührentner, hat es wie vermutlich in allen Familien oftmals gekracht. Man bedenke den Altersunterschied von über vierzig Jahren.
Später haben wir uns arrangiert, um uns dann, als er ins Altersheim zog, sehr nahe zu kommen.
Mein Vater hat das Altersheim, in das er 2008 zog, trotz seiner Befürchtungen vorher, nicht als Abschiebebahnhof erlebt. Denn er war z.B. oft Mittester bei Restauranttests und wir waren insgesamt viel unterwegs.
Hochzeit der Enkelin 2010 in Lübeck, ein Urlaub in Offendorf 2012 und ein erneuter Besuch in Lübeck 2014 mit anständigem Biertrunk bis in die Nacht hinein dienen nur als Beispiel.
Zugegeben, mein Vater hatte einen Vorteil. Nämlich den, dass ich aus der Pflege komme und einschätzen konnte was geht und was nicht.
Wobei und das könnte auch ein Vermächtnis von Helmut Därr, meinem Vater, sein: Traut euch mehr. Nur weil Mutter und Vater alt sind und im Altenheim leben heißt das nicht, dass das Leben und der Spaß daran zu Ende sein müssen.
Mein Vater hatte jedenfalls bis auf die letzten Monate seines Lebens Spaß daran und war insgesamt zufrieden.
Für mich als Sohn bleibt ein Fazit: Wäre ich nicht sein Sohn, ich hätte auch als Bekannter, Fremder gerne ein Bier mit ihm getrunken und ich bin sehr froh darüber, dass wir uns so nahe standen, wir eine Vater-Sohn-Brücke bauen konnten, die uns so weit getragen hat.
Ruhe in Frieden.
Bedanken möchte ich mich auch bei den Mitarbeiter der Station 2 des Theodor-Fliedner-Hauses in Herten Westerholt für ihre gute Pflege und menschliche Zuwendung die meinem Vater in letzten Jahren zu Teil wurde.